Spritzige Wanderungen und Weinproben unterm Sternenzelt

Lange ging es Winzern vor allem darum, guten Wein zu machen. Inzwischen haben viele entdeckt, dass sich mit dem Erlebnis rund um den die Rebe ebenfalls viele Kunden binden lassen

Von Stephanie von Aretin

Dresden/Freyburg. Die Weinregionen an Elbe, Unstrut und der Niederlausitz locken mit neuen Trends und Hotels. So können Kenner und Laien bei der Lese mithelfen, die Sonne im Glas mit dem Blick auf die Sterne verkosten oder direkt beim Winzer wohnen. In der Saison 2019 sind noch einmal viele kreative Angebote dazugekommen.

 

Wein und Sterne – Romantik unterm Nachthimmel

Das trifft sich gut: Die Sternwarte Radebeul liegt gleich oberhalb vom Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth. Auf einer kurzen Wanderung durch den Weinberg erklären die Winzer ihren Arbeitsplatz rechts und links vom Weg. Schon ist das Planetarium erreicht. Die Türen stehen offen für eine Weinprobe, die romantischer kaum sein kann. Unter dem Sternenzelt werden regionale Köstlichkeiten mit drei verschiedenen Weinen kredenzt. Derweil erklären ausgebildete Astronome die Sternenhimmel der Welt – auf einer Süd- und einer Nordhalbkugel, die im Planetarium aufgebaut sind. Je nach Wetterlage ist auch der Blick live auf den Sternenhimmel möglich. Das so genannte Erlebnisweingut ist mit rund 190000 Gästen im Jahr wohl der größte Veranstalter von ausgefallenen Events rund um das Thema Wein in Sachsen.

 

Fünf Stunden harte Arbeit - Winzer für einen Tag

Der Rücken schmerzt, die Finger sind steif. Aber oh wie schön ist es, nach getaner Arbeit auf das Tagwerk zu schauen. Immer mehr Weingüter öffnen ihre Tore und geben Einblicke in den Arbeitsalltag. Wer bei der Lese mithilft, arbeitet zwar in manchmal bis zu 60 Grad steilen Lagen und muss hoch konzentriert die richtigen Trauben lesen. Zugleich lernt er viel Wissenswertes: guten und schlechten Schimmel unterscheiden, den richtigen Reifegrad erkennen, Neues über Rebsorten, Anbau und Verarbeitung. Das Landesweingut Koster Pforta begleitet die Laienwinzer an zwei Samstagen zur Lesezeit morgens um 9 Uhr in die Weinberge bei Bad Kösen. Am Ende des Arbeitstages um 14 Uhr gibt es eine kräftige Brotzeit für alle.

 

Schlicht und elegant – Zimmer so schnörkellos wie guter Wein

Freyburg ist ein Hotspot im mitteldeutschen Weintourismus. Die Stadt zeigt auch, in welche Richtung sich die Hotellerie rund um den Wein entwickelt. Historisch darf es sein, aber bitte mit moderner Technik und zeitgemäßer, lässiger Eleganz. Anfang Juli eröffnete an der Unstrut das Weinhotel „Freylich Zahn“ im historischen Speicher. Gegenüber von Deutschlands ältester Turnhalle haben die Winzer vom Weingut Zahn im ehemaligen Fahrradhotel ihren persönlichen Traum realisiert. 26 Zimmer bietet modernen Komfort – Boxspringbetten, Weinkühlschrank, Bluetooth Lautsprecher – und bleiben dabei so schlicht im Möbeldesign wie die klassische Moderne. Ein gut gefüllter Weincube mit Proben der besten Weine in der Qualitätsoffensive Breitengrad 51°  ist 24/7 zum Genießen und Entspannen geöffnet.

 

Luxus pur - Picknick im Schlossgarten oder Trüffel im Kaminzimmer

Das Weinerlebnis wird immer exklusiver: Chillen wie die Briten können Genießer bei einem Picknick im prachtvollen Ambiente der schönsten Schlösser. Das Weingut Proschwitz serviert beim Klassik-Picknick im August die eigenen ausgezeichneten Weine. Das Weingut Weimar füllt sogar die Körbe mit Köstlichkeiten für ein Picknick im Weinberg mit Blick auf die Klassikstadt. Ab November setzt Privatwinzer Hey dem Genuss noch eine Haube auf. An mehreren Abenden serviert er im gemütlichen Kaminzimmer Fünf-Gänge Menüs rund um die schwarze Knolle zusammen mit ausgewählten Weinen.

 

Wein im Tagebau – 2018 unter den Ausgezeichneten in Sachsen

 Der Gault Millau, die Bibel für den Wein, führt 2018 einen besonderen Newcomer auf: Das Weingut Wolkenberg liegt mitten im ehemaligen Tagebau Welzow. Schon 2008 erkannten der Betreiber und sächsische Winzer, dass die Fläche in der sonnenreichen Niederlausitz (Weingebiet Sachsen) ideale Bedingungen für den Anbau aufweist. Elf Grad Neigung, perfekte Bodenbeschaffenheit, Ausrichtung Süd-Süd-West. Winzerin Bettina Muthmann wagte sich gemeinsam mit dem bekannten Meißner Oenologen Martin Schwarz an seltene Sorten wie den Roten Riesling und den Cabernet Dorsa. Zehn Jahre später steht fest: der Mut hat sich gelohnt. Bis Oktober bietet das Gut im Tagebau an jedem 2. Sonntag im Monat Weinproben an. Auch bei der Lese können Interessierte mithelfen.

Erschienen in der Leipziger Volkszeitung, 11. Juli 2019